„Über den Gartenzaun geplaudert“ 21. Juni 2014

A. Singer - Opperskalski

A. Singer – Opperskalski

Holunder – Holler – Ellhorn     I

„Rinde, Beere, Blatt und Blüte, jeder Teil ist Kraft und Güte, jeder segensvoll.“

Ähnlich wie die Rose, begleitet der Holunder die Menschen, seit es sie gibt, als eine der ältesten magischen Heilpflanzen. Aus archäologischen Funden weiß man, dass er schon in der Altsteinzeit Verwendung fand. Wie die Rose, steht auch er für alle Aspekte des Lebens. Für Diesseits und Jenseits, für Leben und Tod, von der Wiege bis zur Bahre, für den endlosen Kreislauf vom Kommen und Gehen. Diese Polarität können wir beim Betrachten seiner Signaturen beobachten. Die  Äste eines älteren Holunders, deren Rinde fast greisenhaft anmutet, stehen im Gegensatz zu den frischen, grünen Trieben, die im Frühjahr explosionsartig empor wachsen. Genauso wie die verschwenderische, nach oben schauende Blüte, die einen süßlichen Duft verströmt und die schweren, nach unten hängenden, fast schwarzen, säuerlichen Beeren im Herbst.

Als heiliger Schutz- und Schwellenbaum durfte ( darf ) er an keinem Haus fehlen, denn er war ( ist ) der Wohnort der Naturwesen, Seelen und Gottheiten. Vor allem ist er das Reich der germanischen Göttin Holla oder Hel, einer archaischen Göttin, die unter verschiedenen Namen, in jedem Volk vorkommt. Sie symbolisiert als dreifache Göttin alle Zyklen des Menschen und der Natur. Wir kennen Frau Holle vor allem aus dem Märchen der Gebrüder Grimm. Als alte, weise und holde Frau zeigt sie den beiden Mädchen, die durch den Brunnenschacht in die Anderswelt gefallen sind, den Sinn des Lebens auf. Diejenige die bereit ist das Richtige, zum richtigen Zeitpunkt zu tun, wie die reifen Äpfel zu pflücken, das gebackene Brot aus dem Ofen zu nehmen und die Erde mit Schnee zu versorgen, wird geistig geläutert und, beim neuen Eintritt in das Leben auf der Erde, mit Gold belohnt. Diejenige, die diese Arbeiten nur widerwillig oder gar nicht verrichtet, wird mit Pech belohnt, das an ihr klebt und sie an den Verstrickungen des Schicksals festhält. So zeigt das Märchen der Frau Holle die große Schule des Lebens auf und macht den Holunder zum Symbol für geistige Entwicklung, hin zum höchsten Ziel des Menschen.

Als Perchta ist die Holla die Totengöttin, weswegen der Holler in alten Totenkulten schon immer eine große Rolle spielte. So gehörte das Holz des Holunder zu den Bestattungshölzern der Germanen und Kelten. Die Friesen begruben ihre Toten unter dem Ellhorn, nahe beim Haus, denn im „Sippenbaum“ fanden die Seelen der Verstorbenen Platz und blieben so ein Teil der Familie. Auch ermöglichte der Holunder, als Schwellenbaum, Kontakt zur Anderswelt. Hier konnte man die Seelen der Ahnen um Rat fragen. Deshalb wurde ihnen unter dem Baum Milch, Brot und Bier hingestellt, oder, als symbolischer Teil des Ganzen, abgeschnittene Nägel, Haare und Zähne geopfert. An vielen Orten gab es Bräuche an denen der Sarg mit einer Holundergerte ausgemessen wurde, der Kutscher des Leichenwagens eine Holunderrute benutzte, dem Leichnam ein Kreuz aus Holunderholz mit in den Sarg gelegt wurde oder selbiges auf das frische Grab gesteckt wurde. Schlug dieser Zweig frisch aus, galt dies als Zeichen seiner Seligwerdung.

Als dreifache Göttin half Frau Holle nicht nur den Toten, sondern auch jenen, die ins diesseitige Leben zurückkehrten. Also wurde der Holunder auch mit Sexualität und Geburt in Verbindung gebracht.

„Petersilie, Suppenkraut wächst in meinem Garten. ( Name des Mädchens ) ist die Braut, soll nicht länger warten. Hinter einem Holderbusch gab sie ihrem Schatz´ nen Kuss. Roter Wein, weißer Wein, morgen soll die Hochzeit sein.“

So konnten heiratswillige Mädchen den Holler durch Schütteln befragen, aus welcher Richtung ihr Zukünftiger käme. Auch glaubte man, Frau Holle würde die Menschenseelen für eine neue Geburt von einem Storch zu einem Geburtsbrunnen oder Holunder bringen lassen, wo sie dann, wenn die zukünftige Mutter das Wasser schöpft oder den Baum berührt, in ihren Schoß huschen können. Auch konnte die Göttin im Holunder beschworen werden, um die Liebe eines Mannes zu gewinnen. Als Geburtsbaum verehrt, holten sich Schwangere bei ihm durch Berührung die Güte der Holle und Ahnen.

 

 

 

 

 

 

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